Künstler lernen die Stadt Ahlen kennen und entwickeln ergebnisoffen eigene Aktionen für den urbanen und suburbanen Raum.
Der Kunstverein Ahlen lädt ausgewählte Bewerber des Wettbewerbs „Fünfzig Jahre 1968 – ein Mythos in der Midlife Crisis“ in die Stadt ein, um den urbanen und suburbanen Kontext kennenzulernen: von Leer- und Lehrständen, Ecken und Nischen über Fußgängerzonenrandgebiete bis hin zu Bäumen und Bahngleisen. Aus dieser Begegnung heraus entwickeln die Künstler eigene Interventionen und Performances – prozessorientiert und völlig ergebnisoffen.
Hab- und Leergut
Eine Hommage an Slominskis Wirklichkeiten.
Ein mit zum Bersten gefüllten Plastiktüten behängter Rollator im öffentlichen Raum stellt zweierlei Fragen: Einmal die soziale, die sich daraus ergibt, dass Rollatorenrentner die Mülleimer nach verwertbaren Pfandgütern durchsuchen – zwecks Verbesserung ihrer maroden finanziellen Situation. Und das andere Mal die translokative Kunstfrage. Wenn Slominskis Tandem-Fahrrad im Frankfurter Museum für Moderne Kunst mit einer vergleichbaren vermüllten „Pennerästhetik“ den klaren Weg zur Kunst gefunden hat, so verweist die „Rückkehr“ eines vermüllten Objektes in den öffentlichen Raum auf den ursprünglichen Charakter des Objektes – die Wirklichkeit hinter Slominskis Mülltütentandem. Vor diesem Hintergrund realisierten DER MEISTERSCHÜLER (Ruppe Koselleck) und DER BETRIEBSPRAKTIKANT (David Großbölting) die Aktion „Hab- und Leergut“, die spontan und unangekündigt in Münster am Domplatz begann und in Ahlen in der Fußgängerzone endete.
Die Künstler arbeiteten mit einem in die Jahre gekommenen, gealterten, verrenteten Objekt – dem Rollator. Eine blaue Krücke ist an der rollbaren Gehilfe eingesteckt und stakt in die Luft. Auch sie wird zusätzlich mit Tüten voller leerer Getränkedosen, Flaschen verhängt. „Willkommen im Club“ wirbt eine Tüte freundlich auf die Zeiten knapper Kassen und Rentnerfragen. Und wenn man jetzt den Wagen durch die Stadt rollt, wird der „Schieber“ gleichsam unsichtbar. Passanten passierten den minutenlang einsam umherstehenden Tütenrollator und gingen achtlos, ignorant vorbei, blieben kurz interessiert stehen, suchten den Besitzer… fanden ihn nicht und zogen weiter. Die Frage, was wann wo Kunst ist oder doch nur eine müllige Gehilfe, wird ausgespart und löste sich in Gesprächen in austauschbaren Fußgängerzonen auf.
Performance ὅριον
1968 war das Jahr der Aufstände, der Rebellion, der politischen Kämpfe, welches sich in diesem Jahr jährt. Bis heute prägen diese die queer feministischen und linken Bewegungen. Immer noch gehen Menschen gegen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Islamophobie, Homophobie und Transphobie auf die Straße, immer noch wird gegen die Diskriminierung von Minderheiten – für gesellschaftliche Gerechtigkeit – gekämpft. Erst 1969 als Folge der Proteste wurden homosexuelle Handlungen legalisiert und viele Jahre später am 30. Juni 2017 das Recht der gleichgeschlechtlichen Ehe im Deutschen Bundestag beschlossen. Dennoch wird Homosexualität in großen Teilen der Gesellschaft nicht akzeptiert.
In der Live-Performance ὅριον geht es um die Sichtbarmachung von diesen politischen und sozialen Grenzen, die es zu durchbrechen gilt. Durch diese sozial-konstruierten Grenzen ist es Menschen, aufgrund von sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität, Herkunft und Religion, nicht möglich ihr Leben in Freiheit zu leben. Mit großen emotionalen Widerständen sind sie konfrontiert und sehen sich gefangen und unterdrückt, in dem Macht ausübenden Konstrukt des gesellschaftlichen Systems mit seinem Verhaltenskodex.
So suchen die Performenden mit aller Kraft diese Grenze zu überwinden. Aufeinander zu rennend kommen sie sich immer näher, lassen das sie Trennende nachgiebiger werden, um im nächsten Moment zurückgeworfen zu werden. Trotz großer Anstrengung können sie sich dennoch nicht berühren. Auch die Passierenden (stellvertretend hier für die Gesellschaft) verhindern mit ihrem Hindurchgehen in bemerkenswerter Ignoranz das Sichannähern der Performenden. Es scheint so, als würde es die Hindurchgehenden nicht interessieren, nicht betreffen, was sich dort vor ihren Augen abspielt. Zugleich werden auch die Passierenden in ihrem Handeln gehindert. So ist der Kampf ein immer noch andauernder und zugleich in Solidarität verbindender.
Zum Kunstverein Ahlen
Termine
Künstler lernen die Stadt Ahlen kennen und entwickeln ergebnisoffen eigene Aktionen für den urbanen und suburbanen Raum.
Der Kunstverein Ahlen lädt ausgewählte Bewerber des Wettbewerbs „Fünfzig Jahre 1968 – ein Mythos in der Midlife Crisis“ in die Stadt ein, um den urbanen und suburbanen Kontext kennenzulernen: von Leer- und Lehrständen, Ecken und Nischen über Fußgängerzonenrandgebiete bis hin zu Bäumen und Bahngleisen. Aus dieser Begegnung heraus entwickeln die Künstler eigene Interventionen und Performances – prozessorientiert und völlig ergebnisoffen.
Hab- und Leergut
Eine Hommage an Slominskis Wirklichkeiten.
Ein mit zum Bersten gefüllten Plastiktüten behängter Rollator im öffentlichen Raum stellt zweierlei Fragen: Einmal die soziale, die sich daraus ergibt, dass Rollatorenrentner die Mülleimer nach verwertbaren Pfandgütern durchsuchen – zwecks Verbesserung ihrer maroden finanziellen Situation. Und das andere Mal die translokative Kunstfrage. Wenn Slominskis Tandem-Fahrrad im Frankfurter Museum für Moderne Kunst mit einer vergleichbaren vermüllten „Pennerästhetik“ den klaren Weg zur Kunst gefunden hat, so verweist die „Rückkehr“ eines vermüllten Objektes in den öffentlichen Raum auf den ursprünglichen Charakter des Objektes – die Wirklichkeit hinter Slominskis Mülltütentandem. Vor diesem Hintergrund realisierten DER MEISTERSCHÜLER (Ruppe Koselleck) und DER BETRIEBSPRAKTIKANT (David Großbölting) die Aktion „Hab- und Leergut“, die spontan und unangekündigt in Münster am Domplatz begann und in Ahlen in der Fußgängerzone endete.
Die Künstler arbeiteten mit einem in die Jahre gekommenen, gealterten, verrenteten Objekt – dem Rollator. Eine blaue Krücke ist an der rollbaren Gehilfe eingesteckt und stakt in die Luft. Auch sie wird zusätzlich mit Tüten voller leerer Getränkedosen, Flaschen verhängt. „Willkommen im Club“ wirbt eine Tüte freundlich auf die Zeiten knapper Kassen und Rentnerfragen. Und wenn man jetzt den Wagen durch die Stadt rollt, wird der „Schieber“ gleichsam unsichtbar. Passanten passierten den minutenlang einsam umherstehenden Tütenrollator und gingen achtlos, ignorant vorbei, blieben kurz interessiert stehen, suchten den Besitzer… fanden ihn nicht und zogen weiter. Die Frage, was wann wo Kunst ist oder doch nur eine müllige Gehilfe, wird ausgespart und löste sich in Gesprächen in austauschbaren Fußgängerzonen auf.
Performance ὅριον
1968 war das Jahr der Aufstände, der Rebellion, der politischen Kämpfe, welches sich in diesem Jahr jährt. Bis heute prägen diese die queer feministischen und linken Bewegungen. Immer noch gehen Menschen gegen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Islamophobie, Homophobie und Transphobie auf die Straße, immer noch wird gegen die Diskriminierung von Minderheiten – für gesellschaftliche Gerechtigkeit – gekämpft. Erst 1969 als Folge der Proteste wurden homosexuelle Handlungen legalisiert und viele Jahre später am 30. Juni 2017 das Recht der gleichgeschlechtlichen Ehe im Deutschen Bundestag beschlossen. Dennoch wird Homosexualität in großen Teilen der Gesellschaft nicht akzeptiert.
In der Live-Performance ὅριον geht es um die Sichtbarmachung von diesen politischen und sozialen Grenzen, die es zu durchbrechen gilt. Durch diese sozial-konstruierten Grenzen ist es Menschen, aufgrund von sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität, Herkunft und Religion, nicht möglich ihr Leben in Freiheit zu leben. Mit großen emotionalen Widerständen sind sie konfrontiert und sehen sich gefangen und unterdrückt, in dem Macht ausübenden Konstrukt des gesellschaftlichen Systems mit seinem Verhaltenskodex.
So suchen die Performenden mit aller Kraft diese Grenze zu überwinden. Aufeinander zu rennend kommen sie sich immer näher, lassen das sie Trennende nachgiebiger werden, um im nächsten Moment zurückgeworfen zu werden. Trotz großer Anstrengung können sie sich dennoch nicht berühren. Auch die Passierenden (stellvertretend hier für die Gesellschaft) verhindern mit ihrem Hindurchgehen in bemerkenswerter Ignoranz das Sichannähern der Performenden. Es scheint so, als würde es die Hindurchgehenden nicht interessieren, nicht betreffen, was sich dort vor ihren Augen abspielt. Zugleich werden auch die Passierenden in ihrem Handeln gehindert. So ist der Kampf ein immer noch andauernder und zugleich in Solidarität verbindender.
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