Remscheid

„Von innen nach außen / von außen nach innen“ in Remscheid

Erinnerungen und Geschichten sammeln – Artist in Residence in Remscheid-Honsberg

Remscheid-Honsberg // Ausgestattet mit einer blauen Stofftasche schlenderte Brandstifter durch die Straßen des Remscheider Stadtteils Honsberg. Ein paar Zettelchen, Schnipsel und Objekte für seine Asphaltbibliotheque hat er schon gesammelt. Am 2. Juli präsentierte er das Ergebnis bei einer Abschlussveranstaltung des Artist-in-Residence-Programms, das Teil der diesjährigen Stadtbesetzung war. Aus den gesammelten Fundstücken erstellte er eine Wandinstallation, die auf besondere Art und Weise Geschichten aus dem Stadtteil Honsberg erzählte.

Brandstifter löste die beiden Künstler*innen Elaine Vis (Utrecht) und Georg Schmitt (Mainz) ab, die vom 5. bis zum 26. Juni in der Kulturwerkstatt Ins Blaue Quartier bezogen. Die Niederländerin Elaine Vis entlockte den Honsberger*innen Geschichten, die nun in Form von Baumtattoos verewigt sind. An den Handlungsorten der Geschichten brachte Vis passende Begriffe aus Perlen und Wachs an. So ziert das Wort „Vertrauen“ einen Baum an einer Bushaltestelle. Das Wort „Freien“ verband ein Honsberger mit seiner „Sturm und Drang“-Zeit. Das Baumtattoo hängt nun an einer Linde nah der Honsberger Kneipe. Über „Phosphorfreie Straßen“ freute sich eine Dame Ende des Zweiten Weltkrieges.

Ihr Künstler-Kollege und Mitbewohner auf Zeit sammelte ebenfalls Geschichten und hielt sie durch Gesichtsausdrücke der Erzählenden fotografisch fest. „Binnenpretje“, niederländisch für stilles Vergnügen, heißt Georg Schmitts Projekt. Er bat die Besucher*innen bzw. Besuchten, an eine intensive Erinnerung zu denken. Genau in dem Moment drückte Schmitt den Auslöser. Entstanden ist eine intime Bildergalerie aus unterschiedlichen Emotionen der Honsberger*innen.

Vis und Schmitt wurden nach einer Abschlussveranstaltung, bei der die Ergebnisse ihrer Projekte vorgestellt wurden, vom Mainzer Künstler Brandstifter abgelöst. Vom 27. Juni bis zum 2. Juli sammelte er vor Ort Inhalte für seine Asphaltbibliotheque – ein Projekt, das der Künstler schon seit 1989 verfolgt. Dabei liest er auf, was der Asphalt eines Ortes zu bieten hat: Einkaufszettel, Schnipsel, Objekte, Fahrkarten, Briefe, Folien …

Beim performativen Begehen eines Ortes, entsteht Kunst schon während des Sammelns – und diese Kunst ist partizipativ: Nicht nur kommt Brandstifter beim Begehen einer Stadt bzw. eines Ortes mit neugierigen Bewohner*innen ins Gespräch über sein Vorhaben, jede*r kann sich auch direkt am Projekt beteiligen: Brandstifter lud die Honsberger*innen ein, ihre Fundstücke in einem Fundzettelkasten vor der Ins Blaue Art Gallery einzuwerfen. „Seit Brandstifter in Honsberg unterwegs ist, suche ich den Gehweg häufiger ab, bleibe stehen und sammle einige Dinge sogar ein“, berichtete Katja Wickert, Kuratorin der Ins Blaue Art Gallery.

Mit seiner Aktion greift der Künstler in den öffentlichen Raum ein, deutet vermeidlichen „Müll“ um und regt Bürger*innen dazu an, ihre Umgebung mit anderen Augen zu betrachten. „Man kann Kunst direkt vor der Haustür entdecken. Sie kostet nichts als die Überwindung, die Umgebung aufmerksam zu betrachten und Dinge aufzuheben“, so Brandstifter.

 

Aus den Fundstücken kreiert der Künstler Wandinstallationen, die die Atmosphäre einer Stadt oder eines Orts einfangen. Dabei ist jede Asphaltbibliotheque individuell, einzigartig und immer ein Abbild der Zeit, in der sie entstanden ist. Masken, berichtete Brandstifter, findet er aktuell besonders häufig. Aus dem Honsberger Asphalt hat er außerdem ein Zeugnis des Aufenthaltes seines Vorgängers entdeckt: „Guten Morgen Georg, ich war um 5.00 Uhr mit frischem Kaffee hier draußen. Habe dich nicht gesehen – Tarnkappe?“, ist auf dem Zettel zu lesen.

Die Wandinstallation sowie Filmaufnahmen der Performativen Begehung wurden am 2. Juli in einer Abschlussveranstaltung in der Ins Blaue Gallery präsentiert. Die Fundstücke werden sicher in Brandstifters Asphaltbibliotheque verstaut und können immer wieder aufgehängt werden.

 

Dem Ziel, den Stadtteil Honsberg neu zu beleben, ist das Team der Ins Blaue Art Gallery mit ihrem Residenzprogramm ein großes Stück nähergekommen. Die engagierten Kuratorinnen haben aber noch einiges vor: Mit einem NachbarschaftsWohnzimmer wird ein Café als Treffpunkt geschaffen, in dem Veranstaltungen, Konzerte, Lesungen, Spieleabende und Filmvorführungen stattfinden sollen. Zudem plant die Galerie, Honsberger Geschichten an die Hauswände des Stadtteils zu bringen. Brandstifters Asphaltbibliotheque in diesem Zuge an einem Fries zu verstetigen, ist ebenfalls eine Überlegung.

 

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