Marl Performance

Vom Auto zum Fahrrad

„Autovision 2/3“ skizziert in einer Stadtregion mit extremer Prägung durch den Automobilverkehr die konkrete Nachnutzung der Automobilgesellschaft – mit plastischen Mitteln.

Martin Kaltwasser zerlegt in diesem Kunstprojekt ein Auto komplett in seine Einzelteile und fertigt aus diesen Teilen zwei funktionierende Fahrräder. Bei diesem Prozess können interessierte Menschen jederzeit mitmachen. Diese Open-Air- Automobil-Zerlegungsaktion findet auf dem Gelände der gemeinnützigen, soziokulturellen Werkstatt Brassert / Schacht8 statt, ein Ort der Transformation. Schacht8 ist ein ehemaliges Zechenschachtareal, auf dem Langzeitarbeitslose, in speziellen Programmen arbeitend, wieder an den normalen Arbeitsmarkt herangeführt werden. Sie erfahren dort Möglichkeiten des konstruktiven Übergangs, der Veränderung, die Neuentdeckung eigener Fähigkeiten und Motivationen.

Das Projekt Autovision 2/3, dessen Kern eine Transformation darstellt, nimmt Bezug auf diesen Kontext. Das inmitten eines Forstes gelegene Areal der Werkstatt Brassert / Schacht8 verfügt neben den ehemaligen Zechen-Verwaltungsgebäuden, die jetzt soziokulturell genutzt werden, über großflächige  Gartenanlagen und multifunktionale Freiflächen, die sich für temporäre Aktionen, wie eine künstlerische Autodemontage eignen. Im überdachten Open-Air-Werkstattbereich finden danach die komplizierten Montage-, Justier- und Schweißarbeiten statt.

Diese Kunstaktion, Autovision 2/3, ermöglicht den auf Schacht8 tätigen und betreuten Menschen, ihren Horizont zu erweitern, überraschende Möglichkeiten und Ideen zu entdecken, selber durch ihr Mitmachen auf solche Entdeckungsreisen zu gehen und das Spielerische des Do-It-Yourself zu erfahren.

Das Zuschauen und gegebenenfalls kurzzeitige Mitmachen bei der Erkundung der ingenieurtechnischen Genialität von Autoinnenlebenarchitekturen und ihrer unendlichen Weiternutzungspotentiale: Ingenieurtechnisches, skulpturales und materialkundliches Wunderland, dessen anatomische Erforschung und Zerlegung immense kreative Prozesse entfaltet.

Die Aktion Autovision 2/3 ist sicherlich für die meisten Menschen in diesem Umfeld mehr als ungewöhnlich, leben sie doch im Ruhrgebiet in einer städtischen Region, in der sie Kunst eher marginal erleben, in der die Automobilkultur weitgehend unhinterfragt und unreflektiert den Status einer Hegemonialkultur innehat. Sie wird im Ruhrgebiet nach wie vor stetig ausgebaut und radikal verteidigt, sie verdrängt Menschen, Raum und Natur, beziehungsweise verleibt sich diese ein. Wer als erwachsener Mensch kein Auto hat, gilt als Loser. Diesen Status Quo hinterfragt diese künstlerische Aktion auf spielerisch-konkrete Weise.

Dem Künstler ermöglicht die Arbeit auf Schacht8, durch die mehrwöchige tägliche Arbeit an dem Projekt in diesem Umfeld, da man für eine Weile Seite an Seite arbeitet, die dort tätigen und betreuten Menschen kennenzulernen, Gespräche zu führen, in den jeweils anderen Kontext zu schauen und daran teilzuhaben.

Fotos: © VG Bild-Kunst Bonn / Martin Kaltwasser

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